Herzerwärmende Box-Kultur

Es ist im Mai des Jahres 1996, als Muhammad Ali vor Tausenden von Menschen auf der Bühne steht. Sie jubeln während er die Olympische Fackel in die Luft streckt, um das Olympische Feuer während der Eröffnungszeremonie zu entzünden. Für einen Box-Weltmeister ist das Anzünden eines Feuers normalerweise keine besonder hervorzuhebende Leistung. Doch 1996 befand sich Muhammad Ali im fortgeschrittenen Stadium seines Kampfes gegen Parkinson. Also war es für ihn eine wahnsinnig große Leistung.

Seit Muhammad Alis öffentlicher Bekanntmachung seiner Parkinson-Diagnose sind die Krankheit und der Sport, den Ali repräsentiert, eng miteinander verbunden. Parkinson wird durch degenerative Nervenzellen im Gehirn verursacht, welche die Bewegung und Koordination beeinträchtigen und zu Muskelzittern und Versteifungen der Gliedmaßen führen. Muhammad Ali lebte 32 Jahre lang mit Parkinson und war maßgeblich daran beteiligt, das Bewusstsein der Erkrankten für regelmäßige Bewegung, insbesondere nach der jeweiligen Diagnose, zu schärfen. Mit dem Ergbnis, die Symptome zu reduzieren und die Lebensqualität der Patienten deutlich zu verbessern.

Heute stehe ich in Box-Kultur im Berliner Stadtteil Wedding. Das Fitnessstudio sieht total nach einem typisch voll ausgestatteten Box-Club aus. Es liegt im Erdgeschoss, versteckt zwischen Cafés, Geschäften und Altbauten. Aber dieser Box-Club ist etwas Besonderes: Es ist das einzige Boxzentrum in Deutschland, das spezielles Training für Menschen mit Parkinson anbietet!

Ich werde von Jean, dem Mitinhaber von Box-Kultur, herzlich begrüßt. Er ist etwas 1,80 m groß, trägt ein Box-Kultur-Shirt und freut sich darauf, über sein Gym zu sprechen. Er bezeichnet es als ’seinen ganzen Stolz‘. Jean boxt seit seinem 12. Lebensjahr, nachdem er den Sport zusammen mit Freunden als kleiner Junge in Ost-Berlin entdeckt hat. „Als meine Freunde und ich Teenager waren, wollten wir lernen, uns zu verteidigen“, erklärt er. „Da entdeckten wir das Boxen.“ Seitdem widmet sich Jean dem Sport, machte mit seinem Partner Box-Kultur auf und trainiert hier alle – von Anfängern bis hin zu Profis. „Ich habe mir meinen Lebenstraum erfüllt, indem ich einen Ort für verschiedene Menschen und Kulturen erschaffen, habe, deren Ziel Fitness ist“, sagt Jean. Und er lebt diesen Traum wirklich, denn er bietet außerdem noch etwas Besonderes an: Trainings für Parkinson-Patienten. Auf seiner Webseite heißt es: „Das Boxtraining ist bei neurologischen Erkrankungen und insbesondere bei der Parkinsonkrankheit sehr hilfreich. So wird eine Vielzahl von umfangreichen Trainingsmöglichkeiten angeboten, die helfen, die Kontrolle über die neuronalen Nervenbahnen zu erhalten.“

Neben diesem, auf Parkinson spezialisierten Training, bietet Jean auch Boxing-Kurse nur für Frauen an. Sein Ziel ist es, Boxen für jeden zugänglich zu machen. Da der Sport einen harten Ruf hat, befürchtet er, dass Frauen eingeschüchtert werden können, wenn es nur gemischte Kurse gibt. So startete er einen Frauenkurs, der sehr gefragt ist: Der heutige Kurs ist komplett ausgebucht.

Box-Kultur bietet den idealen Rahmen für eine Boxstunde. Die Wände sind aus Ziegelsteinen und von der Decke hängen Adidas-Boxsäcke. Glänzend rote Boxhandschuhe säumen die Wände und Trophäen, Fahnen und Bilder von Mohammad Ali sind auf vorstehenden Ziegen platziert. Die Decke ist niedrig und verleihen dem Kurs einen sehr persönlichen Charakter. In der Rückseite des Raumes befindet sich ein rot-schwarzer Boxring. Eine nahezu perfekte Mischung aus elegant und praktisch mit einer einladenden, offenen Atmosphäre.

„Wir werden uns mit Laufen, High Kicks und Knee Raises aufwärmen“, sagt Jean und wir fangen pflichtbewusst an, durch das Studio zu sprinten und den Boxsäcken auszuweichen. „Als nächstes gehen wir paarweise zusammen und üben einige Boxtechniken.“ Jede Teilnehmerin nimmt sich ein Paar der glänzenden Boxhandschuhe und schenkt Jean die volle Aufmerksamkeit, der uns zeigt, wie man steht, um ein optimales Gleichgewicht und optimale Koordination zu erreichen. Wir teilen uns in Partner A und B auf. Partner A hält die Hände mit den Handschuhen vor sein Gesicht, während Partner B nach links, rechts und wieder nach links schlägt. Die Abfolge ist einfach, aber wir sind schon richtig ins Schwitzen gekommen.

Jean benutzt einen Timer, um sicherzustellen, dass wir gleich lange Boxen und Verteidigen praktizieren. Hier stellt wieder mal meine Rechts-Links-Schwäche ein Problem dar. In einer weiteren Sequenz sollen wir uns ducken, während die andere Person über den Kopf schlägt. Es ist wichtig, dass ich mich zur richtigen Zeit in die richtige Richtung ducke, um nicht am Kopf getroffen zu werden. Aber mein Mangel an schnellen Reflexen und der Rechts-Links-Verwirrung macht die Übung ziemlich gefährlich. Schließlich greift Jean ein, um uns zu helfen, die Sequenz effektiver zu gestalten – Dank ihm blieben wir unverletzt.

Boxer alle Niveaus zu unterrichten ist Jeans absolute Leidenschaft. „Ich bin ein professioneller Amateur-Boxer“, erklärt er. „Als ich anfing, in Ost-Berlin zu trainieren, war Amateur-Boxen sehr ungewöhnlich. Nicht viele Leute haben das gemacht.“ Heute zählt es zu den beliebtesten Sportarten Deutschlands. Für Jean liegt die Schönheit des Boxens in den Parallelen, die man zwischen dem Sport und seinem Alltag außerhalb des Ringes ziehen kann. „Boxen ist eine sehr komplexe Sportart“, sagt er. „Du brauchst Geschicklichkeit, Koordination sowie eine schnelle Reaktion. Und mit dem Boxen findet man immer Parallelen zu seinem eigenen Leben.“ Er erklärt: „So wie man bei der Arbeit fokussiert, motiviert, kreativ und respektvoll sein muss, so ist es auch im Ring. Das Boxen hat mich als Person geprägt. Der Sport lehrte mit Demut und Respekt.“

Boxen wird regelmäßig und aus gutem Grund als Metapher für das Leben verwendet. Wenn man beim Boxen niedergeschlagen wird, wie im Leben, muss man wieder aufstehen. Ein Beispiel und vielleicht das Wichtigste überhaupt: Du bekommst das zurück, was du ausgeteilt hast. Im Boxring wird derjenige, der beim Training am härtesten gearbeitet hat, gewinnen. Man kann sich einfach nicht verstecken.

Gegen Ende des Unterrichts beginne ich, die starke Kraft des Boxens live zu erleben. Jean sagt uns, das wir jetzt die erlernten Sequenzen auf den Boxsack anwenden sollen. Vorher hatte ich mich – aus Angst, meine Partnerin bewusstlos zu schlagen – wirklich zurückgehalten. Aber mit dem Boxsack fühle ich mich frei, so richtig drauf zu schlagen. Jean stoppt die Zeit und ruft Motivationssprüche, während wir auf den Boxsack schlagen und das mit unserem vollen Gewicht, um eine maximale Wirkung zu erzielen. Ich kann all meinen Stress und Frustration spüren. Nach sechs Sets fühle ich mich völlig erschöpft, aber überrascht entspannt. „Wenn du boxt, ist es wichtig, dass du von den Menschen um dich herum lernst“, sagt Jean. „Du wirst gut, wenn du anderen beim Training zusiehst und das kopierst, was sie machen.“

Endlich ist es an der Zeit, den Klettverschluss an unseren Handschuhen zu lösen und uns zu dehnen. Jean hat mir heute eine Seite des Boxens gezeigt, von der ich nicht wusste, dass sie existiert. Bei diesem Sport geht es nicht darum, wer am härtesten treffen kann – es geht um Selbstdisziplin, Fleiß, Respekt und Intelligenz. „Es macht mich sehr glücklich, den Erfolg und Spaß meiner Schüler zu sehen“, sagt Jean. Und seine Begeisterung ist ansteckend. Heute hatte ich viel Spaß und ein anspruchsvolles Training. Aber das Beste daran ist wahrscheinlich, dass ich endlich Links von Rechts unterscheiden kann.

Wenn du Boxen ausprobieren möchtest, findest du bei Urban Sports Club unzählige Sportpartner in ganz Europa. Schau‘ einfach auf unsere Webseite, um herauszufinden, welche in deiner Nähe sind.

Und für den gesamten Trainingsplan geh‘ einfach auf die Webseite von Box-Kultur.

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