Segeln: Kein absolut entspanntes Erlebnis
Ich stehe am Doca de Bélem, einem Segelhafen vor den Toren Lissabons. Es ist 10 Uhr morgens an einem wunderschönen Morgen und ich schaue zu, wie die Reihe von Segelbooten auf dem Wasser sind und bei einer leichten Brise von einer Seite zu anderen kippen. Es ist das erste Mal, dass wir den Urban Sport of the Week in ein anderes europäisches Land bringen. Und als erstes steht eine Segelstunde mit Seatours auf dem Tejo an.
João, Gründer von Seatours und Segelliebhaber, schüttelt mir die Hand. Er trägt ein blaues Seatours Poloshirt zu Khaki-farbenen Shorts und Bootsschuhen. Er sieht extrem entspannt aus, so als hätte er sein ganzes Leben auf Booten verbracht. Und das hat er im Grunde genommen auch. Als wir über den Steg zu unserem Boot gehen, erzählt er mir, dass er das kleiner Junge das erste Mal gesegelt ist und seitdem dabei geblieben ist. „Alle meine Freunde, die ich beim Segeln kennengelernt habe, als ich 8 oder 9 Jahre alt war, sind auch heute noch meine besten Freunde“, sagt er erfreut, als er mir auf das Boot hilft. Heute ist auch Onya, unsere Fotografin aus Lissabon, dabei. Du wirst noch verstehen, warum Onya in diesem Artikel eine wichtige Rolle spielt.
Das Segelboot ist strahlend weiß, etwa drei Meter lang und zwei Meter breit. Das Boot hat zwei Masten – einen in der Mitte und einen an der Vorderseite. Beide ragen mehrere Meter hoch in den Himmel. João überreicht uns beiden jeweils eine Rettungsweste und sagt uns, wir sollen unsere Taschen in der Kabine verstauen.
„Ich brauche deine Hilfe, um das Segel zu hissen“, sagt João, während er eine große Rolle Plane aus der Kabine zieht. Wir rollen sie ab, João bereitet alles fachmännisch vor und zieht das Segel etwa auf die Hälfte des Mastes nach oben. “Den Rest spannen wir auf, wenn wir den Hafen verlassen haben“, sagt er.
Onya und ich sitzen auf der Seite des Bootes und João wirft den Motor an. Wir tuckern aus den Hafen und auf das unruhige grüne Wasser des Tejo. Der Himmel ist klar und die Brücke 25 de Abril erstreckt sich über den Horizont. Während wir hinaus in die Mitte des Flusses tuckern, sehen wir auf der einen Seite die schrägen Terrakotta-Dächer von Lissabon und auf der anderen die großen Hügel von Alameda. Es ist atemberaubend schön – wie das Foto auf einer Postkarte.
João stellt den Motor ab und zeigt mir, wo ich sitzen muss, damit ich das Boot steuern kann. „Ich kümmere mich um die Segel“, sagt João. Dann hisst er das Großsegel auf die volle Höhe und genau das ist der Moment, an dem der Alptraum beginnt.
Bis jetzt hat uns João noch nicht viel vom Segeln erzählt – ich stelle mir einen entspannten Trip vor, eben eine entspannte coole Aktivität. „Es ist heute sehr böig“, sagt João. „Schaut – da kommt die erste Böe!“ Ich kann sehen, wie das Wasser vor mir dunkelgrau wird, eine bedrohliche Welle, die schnell auf uns zurast. Dann passiert es: Die Böe erfasst das Segel und das gesamte Boot neigt sich heftig in einem 90°-Winkel. Ich halte mich kreischend an der Reling fest. Onyas Kamera baumelt um ihren Hals, während sie ebenfalls die Reling umklammert. „IST DAS NORMAL?!“ Ich schreie João an, der lautstark lacht. „Keine Sorge – wir werden nicht kentern!“ Er zerrt an einem Seil und zum Glück richtet sich da Boot wieder auf. Mein Herz schlägt so schnell, dass es sich anfühlt, als würde es mir aus der Brust fallen. “Es ist heute sehr böig“, sagt João. „Oh wirklich“, sage ich und klammere mich immer noch an die Reling. „Habe ich noch gar nicht bemerkt.“
Onya steht wieder auf ihren Beinen und macht Fotos von der schönen Landschaft. Das Boot schaukelt weiter hin und her, aber es bleibt für ein paar Minuten relativ ruhig. „Schaut! Noch eine Böe!“, sagt João. Aber diesmal bin ich vorbereitet. Ich gehe davon aus, dass das Boot wieder in Schieflage gehen wird, Onya ebenfalls. Es ist immer noch beängstigend, aber ich versuche João zu glauben, dass wir nicht kentern werden. Er weiß schließlich, wovon er spricht.
Wenn das Wasser ruhig ist, ist es ein unglaubliches Erlebnis! „Man kann von hier aus ganz Lissabon sehen!“, sagt João. „Das ist die beste Perspektive auf die Stadt.“ Und er hat Recht. Wir passieren die gigantische rote Hängebrücke und sehen die ausgebreiteten Arme der Cristo Rei Statute am Ufer von Alameda.
„Vielleicht sollten wir das zweite Segel setzen“, sagt João. „Der Wind ist ziemlich ruhig.“ Ich habe kein so gutes Gefühl bei dem Plan, aber ich sage „Okay, lasst uns das zweite Segel setzen.“ Wir drehen das Boot zurück in Richtung Hafen und João geht nach vorne, um den zweiten Mast aufzurichten. „Willst du versuchen, das Seil zu halten?“ Er fragt mich und legt mir das Seil in die Hand, bevor ich überhaupt antworten kann.
Und dann, natürlich genau in diesem Moment, kommt eine Windböe. Aber diesmal erfasst sie gleich zwei Segel. Das Boot ruckelt heftig und geht in Schieflage. Die andere Seite des Bootes taucht unter Wasser ein und ich werde nach oben gedrückt, fast bis ich stehe. Ich spüre, wie ich das Gleichgewicht verliere und merke, dass das nun der Moment ist, an dem ich in das Wasser des Tejo falle. Onya und ich schreien uns die Seele aus dem Leib. Eine Seite des Bootes ist jetzt vollständig unter Wasser. Sogar João sieht besorgt aus. Er zieht an dem Segel. Das Boot balanciert leicht nach hinten, sodass ich mich in einer Embrional-Position ins Boot legen kann. Das ist bei weitem der schrecklichste Urban Sport of the Week, den ich bisher gemacht habe. „Ich dachte, Segeln wäre cool!“, schreie ich.
Dann macht Onya das Unmögliche. Das Boot ist immer noch in extremer Schieflage und mit einer Seite ziemlich weit im Wasser. Da steht Onya auf und macht sich auf den Weg zur Vorderseite des Bootes. „Onya!!“, schreie ich. „Tu es nicht!“ Aber es ist zu spät. Sie wickelt ihre Beine um den Hauptmast, die Kamera um den Hals und macht, trotz der Schieflage Schnappschüsse von den ganzen Strapazen. „Keine Sorge!“, schreit sie. „Ich habe mich an Nahtoderfahrungen gewöhnt!“ Ich denke, wir sind uns alle einig, dass Onya für dieses Engagement eine Medaille verdient hat.
Nach ein paar weiteren schrecklichen Windböen, bei denen mein Leben für einen kurzen Moment an mir vorüberzieht, sehen wir endlich wieder den Hafen. João nimmt das zweite Segel wieder runter. Wahrscheinlich, weil er mich nicht länger schreien hören wollte. Er schaltet den Motor ein und fährt uns zurück in den Hafen. Ich war in meinem ganzen Leben noch nie so erleichtert, auf festem Boden zu stehen.
Danach erzählt mir João, dass dies ein wirklich windiger Tag für eine erste Segelerfahrung war. Aber er versichert mir auch, dass es ein fantastisches Hobby ist. „Es macht den Kopf frei“, sagt er. „All die Dinge und Gedanken, die in deinem Kopf umherschwirren, verschwinden beim Segeln. Wenn man im Boot sitzt, denkt man an nichts anderes mehr. Und wenn das Wasser ruhig ist, kann man den Moment wirklich genießen.“ Ich bin nicht ganz an diesen Punkt gekommen, aber ich werde es nochmal versuchen – ich gehe einfach an einem Tag, der nicht so böig ist.
Wenn du Segeln ausprobieren möchtest, geh‘ nach Lissabon und besuche Seatours.
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