Über einen portugiesischen Profisurfer

Es ist 16 Uhr an einem heißen Nachmittag am Strand Praia Morena in Almeda, 40 Minuten vor Lissabon. Ich stehe seit einigen Minuten auf dem weißen Sand, am vereinbarten Treffpunkt, bis ich einen Anruf erhalte. Mein Lehrer, der Profisurfer Tomás Valente, ist dran. „Hast du meine E-Mail bekommen?“, fragt er. „Wir treffen uns an einem anderen Strand.“ Ich habe die E-Mail nicht gelesen. „Okay, keine Sorge – siehst du den Typ, der Surfunterricht am Strand gibt? Gib ihm das Telefon.“

Ich gebe das Telefon einem Mann im Neoprenanzug, der ein paar Meter entfernt steht und gerade seine Surfstunde beendet. Er nimmt – kein bisschen verwundert – das Telefon entgegen, obwohl er gar nicht weiß, wer ich bin. Er spricht für ein paar Minuten portugiesisch und gibt mir das Telefon zurück. „Schon okay“, sagt der Mann mit einem sanften portugiesischen Akzent. „Ich nehme dich mit.“ Es stellt sich heraus, dass er Tomás‘ Geschäftspartner António Ribeiro ist. Beide haben zusammen ihre Surfschule Lisbon Surf Connection im Sommer 2015 gegründet.

Ich, Onya, die Fotografin, und vier Teenager-Jungs quetschen uns in Antónios Van und fahren in die Stadt. Es ist ein typischer Surfervan: Sieben Bretter stapeln sich auf dem Dach, und die Fenster, Sitze, Sicherheitsgurte und sogar das Dach sind mit einer feinen Sandschicht bedeckt.

Da heute meine erste Surfstunde ist, ziehen wir um an einen ruhigeren Strand mit Wellen, die für Anfänger besser geeignet sind. António und Tomás sind beide Surfer seit ihrer Kindheit. Ursprünglich haben sie ihre Schule gegründet, um Reisegruppen durch Portugal zu führen. Dabei verbrachten sie den halben Tag damit, auf den weltberühmten Wellen zu surfen, und in der anderen Hälfte zeigten sie die Sehenswürdigkeiten ihres Heimatlandes. Aber vor Kurzem haben sich die beiden dazu entschlossen, Menschen jeden Alters den Sport beizubringen, den sie lieben.

Nach 30 Minuten Fahrt kommen wir in der Garage an, die sich Tomás und Anónio teilen. „Alice!“, sagt Tomás völlig unbeeindruckt von der Tatsache, dass er über eine Stunde warten musste. „Schön, dass du es geschafft hast!“ Als wir zum Strand fahren, plaudert Tomás super aufgeregt, weil er uns – im wahrsten Sinne des Wortes – an Board hat. Tomás hat hellbraune Augen, als ob er sein ganzes Leben lang direkt in die Sonne geschaut hätte. Was er, wie ich herausfinden werde, im Grunde genommen auch gemacht hat.

„Ich habe mein ganzes Leben lang professionell gesurft“, erklärt mir Tomás, während er mich durch seinen Rückspiegel anschaut. „Es fing damit an, dass ich meine Zeit mit Skateboarden und Spielen auf der Straße zugebracht und versucht habe, Jack-Ass zu imitieren.“ Mit elf Jahren hatte er seinen ersten Surfkurs: „Ich war vom ersten Tag an süchtig.“

Tomás Valente war 17 Jahre alt, als sein erster Sponsor, die Surf- und Skatemodemarke Volcom an ihn herantrat, er möge sich ihrem Surfteam anschließen. Sie wollten seine Reisen finanzieren und ihn dabei unterstützen, ein professioneller Surfer zu werden. Tomás konnte nicht glauben, dass er dafür bezahlt werden würde, das zu tun, was er liebt – und seitdem lebt er seinen Traum, tourt durch die Welt und nimmt an internationalen Wettbewerben teil.

„Damals, als ich bei nationalen und europäischen Wettbewerben antrat, habe ich mich zweimal für die World Tour qualifiziert. Aber es ist ziemlich hart. Es gibt zu viel Ablenkung.“ Ich frage ihn, was er mit Ablenkung meint. „Du weißt schon – du bist jung, es gibt viele Partys, du bist allein.“

Tomás erklärt, dass das Leben als Profi-Surfer zwar ein wahrgewordener Traum sei, der Lebenswandel aber auch Nachteile mit sich bringt. „Es ist ein sehr einsamer Sport, besonders wenn man auf einem höheren Niveau surft. Du gehst nach Australien und hast eine halbe Stunde Zeit, um zu zeigen, was du kannst. Und wenn du verlierst, dann gehst du nach Hause. Viele Leute sind sauer und hören mit dem Surfen auf.“

Vor Kurzem ist Tomás um die Welt gereist und hat Surfdokus an entlegenen und exotischen Surfspots gedreht, die alle von seinem Sponsor Deeply, einer portugiesischen Surfmarke, finanziert wurden. „Die Dokumentationen erzählen die Geschichten des jeweiligen Ortes, Essens, der Menschen und Wellen. In der nächsten geht es um Angola.“

Tomás liebt das Surfen heute genauso sehr, wie damals, als er damit anfing. Und obwohl er an die unterschiedlichsten Orte auf der ganzen Welt reist und an globalen Wettbewerben teilnimmt, liebt er es, Anfängern wie mir das Surfen beizubringen.

Wir fahren zum Strand. Es ist windig, aber die Wellen sind weniger als einen Meter hoch. Ich ziehe meinen Neoprenanzug an, den bei weitem unvorteilhaftesten Look, den ich bisher in dieser Blog-Serie getragen habe. Tomás und ich gehen den Wellen entgegen. „Wenn ich jemanden anschaue, sehe ich sofort, wie schnell er es schaffen wird, auf dem Brett zu stehen“, sagt er. „Du wirst es bei deinem dritten Versuch schaffen.“ Ich lache. Es gibt keine Hoffnung, dass ich heute auf diesem Brett stehen werde, aber er ist so zuversichtlich, dass ich ihm nicht widersprechen kann.

„Ich zeige dir die Grundlagen und dann gehen wir direkt ins Wasser.“ Tomás legt das Surfbrett auf den Sand und zeigt, wie ich mich mit beiden Händen neben der Brust auf den Bauch lege, meinen hinteren Fuß nach vorne bringe und mich aufstelle. „Bleib auf dem Brett“, sagt er. „Noch drei Versuche und wir gehen rein.“

Ich habe das Gefühl, dass ich den Dreh zum Aufstehen draufhabe, als wir zum Wasser gehen. Das Wasser ist so kalt, dass sich meine Füße wie Eisblöcke anfühlen – aber der Neoprenanzug schützt den Rest meines Körpers vor dem Erfrieren. Wir schwimmen ein paar Meter, dann lege ich mich bäuchlings auf das Brett. Tomás hält es fest und sagt: „Okay – wenn eine Welle kommt, schiebe ich dich an. Ich sage dir dann, wann du aufstehen musst.“

Ich fühle mich emotional unvorbereitet, aber bevor ich Zeit habe nachzudenken, schiebt Tomás mich an. Ich spüre, wie sich der Schwung der Welle unter mir sammelt. „Steh auf! Steh auf!“ Ich stütze meine Hände neben der Brust auf das Brett, drücke mich hoch, verliere das Gleichgewicht und falle ins Wasser. „Alles in Ordnung?“, fragt Tomás. „Mir geht’s gut!“, stottere ich, als ich neben Onyas Füßen im Sand strande. „Okay, zurück aufs Brett, wir versuchen es noch mal.“

Die zweite Welle: Ich spüre, wie sich der Schwung sammelt, wie ich schneller werde, als Tomás ruft: „Steh auf!“. Ich versuche es noch einmal. Hände, hinteres Knie, vorderes Bein, fast oben, aber ich verliere wieder das Gleichgewicht. „Das war schon viel besser als beim letzten Mal!“, sagt Tomás. Er sieht alles positiv, und zwar wirklich alles. Er sagt mir, dass die korrekte Haltung schon fast da ist, dass ich sie fast erreicht habe. Dass meine Hände gut positioniert sind, dass mein hinteres Bein gut steht. „Zurück aufs Brett. Lass deine Knie beim nächsten Mal ein wenig gebeugt.“

Die dritte Welle: „Diese Welle ist super!“, sagt er. „Mach dich bereit!“ Diesmal höre ich genau hin, was er mir sagt – ich bin entschlossen, ihn stolz zu machen. Die Welle sammelt sich hinter mir, ich werde schneller. „Steh auf! Steh auf!“ Hände neben die Brust, nach oben drücken, Bein nach vorne, ich komme zum Stehen und halte mich tief. Fröhliche Schreie hinter mir: „Ich wusste es!“, Tomás ruft erfreut. „Ich wusste, dass es deine dritte Welle sein wird!“

Nach fast 15 Jahren professionellen Surfens liebt Tomás es, seine Leidenschaft zu teilen, indem er anderen das Surfen beibringt. „Ich liebe es, Leute zu unterrichten, für die Surfen absolutes Neuland ist“, sagt er. „Jemand, der noch nie Sport getrieben hat, oder aus einer schlechten Gegend kommt. Diese Leute haben keine Erwartungen – und dann versuchen sie es und werden süchtig. Sie hätten nie damit gerechnet, dass Surfen so viel Spaß macht.“ Und im Laufe meiner Surfstunde, während ich versuche, weitere Wellen zu kriegen, oft ins Wasser falle und trotzdem ein wenig Erfolg habe – verstehe ich total, wovon er spricht.

Wirf einen Blick auf die Webseite von Lisbon Surf Connection, um alles über die Surfkurse zu erfahren. Und hier kannst du Tomás noch ein wenig besser kennenlernen.

Und schau dir die Surfpartner von Urban Sports Club in Portugal an.


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