Curse: von Rap-Legende zum Meditations-Guru
Ich sitze während des Wanderlust 108-Events in München unter einem kühlenden Sonnensegel von Urban Sports Club und bin ziemlich aufgeregt. Nicht etwa, weil ich vorhabe, den Mindful Triathlon zu absolvieren oder einen Handstandworkshop zu machen. Sondern weil ich gleich den deutschen Rapper Curse interviewen werde – und der ist eine Rap-Ikone. Er hat mit Sicherheit schon eine Million Interviews gegeben und ich möchte ihm die richtigen Fragen stellen – solche, die ihn wirklich interessieren. Aber bevor ich noch weiter darüber nachdenken kann, steht er schon vor mir.
„Hi“, sagt er und schüttelt dabei herzlich und mit einem breiten Grinsen meine Hand. „Ich freue mich, dich kennenzulernen“, begrüße ich ihn. Es ist ca. 14:30 Uhr und die Sonne brennt. Die Besucher des Wanderlust-Events machen es sich auf dem Gras vor unserem Stand gemütlich und erholen sich von der Hitze. Einige von ihnen heben die Köpfe und schieben ihre Sonnenbrillen auf der Nase nach unten, um sicher zu gehen, dass sie richtig sehen. Curse lässt sich auf einem Hocker neben mir nieder und ich erzähle ihm vom Urban Sports Club-Blog und wie froh ich bin, jetzt mit ihm sprechen zu dürfen. „Es ist mir ein Vergnügen“, erwidert er.
Für diejenigen unter euch, die ihn nicht kennen: Curse ist ein Hip-Hop-Künstler, der sich sehr stark in die Welt der Meditation, des Buddhismus und der Erleuchtung eingefunden hat. Er macht einen wöchentlichen Podcast zu diesen Themen, hat letztes Jahr ein Buch darüber geschrieben und zwischen seinen Tourneen leitet er Workshops und Sitzungen darüber. Nur wenige Stunden vor unserem Gespräch hat Curse über 1.000 Menschen durch den letzten Teil des Wanderlust 108-Events geführt – die Meditation. Es war eine tolle Erfahrung und ein passender Abschluss für einen Tag voller Aktivitäten.
Curse hat das Auftreten eines coolen Rappers, mit seiner schwarzen Sonnenbrille, dem schlichten schwarzen Shirt und seiner kalifornischen Lässigkeit. Ich muss mir keine Gedanken darüber machen, welche Fragen ich stelle – er ist offenbar für alle Fragen offe, die ich ihm stelle, also beginne ich damit, wie er sich für den Buddhismus begeistern lies.
Er erzählt mir, dass er sich schon als Kind für Menschen interessierte. Wie wir funktionieren, uns verhalten und denken. Wie wir mit uns selbst und untereinander umgehen. Schon früh interessierte er sich für Psychologie und Religion. Aber er interessierte sich auch für Rapmusik. „Und als ich Teenager war, war es viel cooler, ein Rapper zu sein, als ein Psychologe“, berichtet Curse amüsiert. „Und es gab mir viel mehr Energie und eine Identität, also entschied ich mich: Ich werde Rapper. Und wenn das nicht funktioniert, kann ich Psychologie studieren.“
Im Jahr 2000 veröffentlichte Curse sein erstes Album “Feuerwasser” und tourt seitdem um die ganze Welt, veröffentlichte zehn weitere Alben und wurde als Deutschlands größter Lyriker ausgezeichnet. Der Erfolg nach seiner ersten Veröffentlichung war riesig. Doch trotz ausverkaufter Shows, unzähligen Fans und dem Leben eines Rockstars, blieb sein Leben unerfüllt.
„An einem bestimmten Punkt in meiner Karriere, lief ich immer wieder gegen eine Wand“, sagt er und bewegt sich auf seinem Sitz nach vorne, um mir direkt in die Augen zu schauen. „Ich hatte immer weniger Energie und verlor meinen Enthusiasmus. Ich machte ja schon genau das, was ich liebe, was ich schon immer tun wollte, doch ich fühlte mich immer schlechter und schlechter.“ Er wirkt bestimmt seltsam. „Ist es nicht das, was alle sagen? Tu, was du liebst, und du wirst nie einen Tag in deinem Leben arbeiten, all das Zeug. Ich habe getan, was ich liebe! Wie konnte es mich also nicht erfüllen?“
Damals war Curse seit zehn Jahren ununterbrochen am Machen. „Es war immer das nächste Album und das nächste Studio und dann Tourneen und unterwegs sein und ich dachte immer: Wo ist meine Erfüllung? Vielleicht wartet sie an der nächsten Ecke. Oder kommt, wenn 50 weitere Leute zu meiner Show kommen, oder wenn das nächste Album besser ist, oder wenn ich in ein schöneres Restaurant gehe oder ein schönes Auto kaufe. Ich lief und lief und lief und lief und lief und lief, doch ich konnte diese Erfüllung nicht finden. Und dann rannte ich gegen eine Wand. Und mir wurde klar, dass das nicht funktioniert. Ich muss langsamer werden, aufhören zu laufen, etwas anderes versuchen.“
Das etwas Andere erwies sich dann die Wiederentfachung seines Interesses an Spiritualität aus seiner Kindheit. Aber Curse kämpfte damit, seine Identität als Rapper auf den neuen Weg der Erleuchtung auszurichten. „Eines Tages fragte ich mich, warum ich nur eine Sache tun muss? Wer hat die Regel aufgestellt, dass man, wenn man Schach mag, kein Fußball spielen kann? Wer hat die Regel aufgestellt, dass man, wenn man ein Rapper ist, an nichts anderem interessiert sein darf? Wer hat diese Regel aufgestellt? Es hat ein paar Jahre gedauert, bis mir klar wurde, dass ich mich gar nicht entscheiden muss und ich all diese Dinge in mein Leben integrieren kann und dass ich ein Album machen kann, aber auch ein Buch schreiben kann. Und das ist in Ordnung“.
Curse hat eindeutig viel Zeit damit verbracht, über den Druck des Lebens in Stereotypen nachzudenken und er sagt, dass dieser Druck nicht nur an den ihm offensichtlichen Quellen – Musik, Wirtschaft, Mode – liegt, sondern auch in der Achtsamkeit. „Es gibt viele Leute, die denken, dass sie ein bestimmtes Image erfüllen müssen“, sagt er. „Sie haben das Gefühl, dass sie jeden Tag glückliche, entspannte Instagram-Inhalte produzieren müssen, um diesen sorgenfreien, positiven Lebensstil zu vermitteln. Und das ist eine Menge Druck! Denn wessen Leben ist so? Das von niemanden. Wir sind Menschen und wir werden eben hungrig, mürrisch und schläfrig und auch mal wütend. Das ist nur menschlich.“
Curse sagt, dass der Versuch, diese Realität zu bekämpfen, bedeutet, zu leugnen, dass man ein Mensch ist. Stattdessen sollten wir diese menschlichen Aspekte des Lebens annehmen und akzeptieren. „Sag: Ja, ich werde wütend, ja, ich werde verärgert. Ja, das tue ich. Und ich kann diese Gefühle erkennen und diese Gefühle für mich beanspruchen. Es ist ein anderer Ansatz, als nur „Good Vibes“ zu sagen!
Eine augenöffnende Perspektive: Meditation
Curse’s Ratschläge sind so wunderbar bodenständig, so menschlich, dass ich nicht anders kann, als laut zu lachen. Wenn ich an Meditationslehrer und Gurus denke, denke ich an Menschen, die nie Wut oder Frustration empfinden. Ich stelle mir vor, wie sie stundenlang meditieren, nicht ein einziger Gedanke, der in ihr Bewusstsein driftet. Aber Curse ist hier, um zu sagen: Das ist alles BLÖDSINN.
„So viele Menschen setzen sich hin und versuchen zu meditieren und erkennen, dass andere Gedanken aufkommen. Und danach sagen sie mir: „Ich kann nicht meditieren, all diese Gedanken kamen hoch. Und ich sage immer: „Das ist toll! Du bist fortgeschritten!“ Weil sie etwas erkennen. Sie erkennen, dass, wenn sie einfach nur da sitzen und ihren Verstand nicht beschäftigen, dann ist es das, was passiert. Wir alle haben diese Gedanken. Und nicht einfach nur Gedanken – verrückte Gedanken! Dies ist unser unbewusstes Programm, das die ganze Zeit läuft und hauptsächlich aus Angst – viel Angst – besteht. Doch wenn du das erkennst und es benennen kannst und weißt, dass es das ist, was in deinem Kopf vor sich geht, dann ist es doch fantastisch.“
Curse erklärt, dass es bei der Meditation darum geht, eigene Gefühle und Ängste zu erkennen und einfach präsent zu sein. Ich persönlich dachte immer, weil ich viele Gedanken dabei hatte, dass ich nicht meditieren könnte. Doch Curse erklärt mir nun leidenschaftlich: „Aber du hast meditiert und du hast es gut gemacht! Denn Meditation ist nicht betäubend – sie ist nicht das Vergessen der Welt, das Auseinanderfallen. Das wäre dann Schlafen, sich massieren lassen oder in die Sauna gehen. Meditation ist das Kennenlernen des Geistes. Was auch immer passiert, ist deine Meditation. Du machst es total richtig, du verstehst es absolut.“
Größte Einflüsse, beste Beratung
„Ich hatte das Privileg, wirklich zuhören zu können und im Umfeld einiger großartiger Lehrer zu sein.“ Curse’s in London ansässiger Lama war einer der ersten, der in den 60er Jahren im Westen lebte. Dieser Lama wuchs in einem Kloster auf und wurde im Alter von 5 Jahren als Wiedergeburt anerkannt. Und genau wie man es von einem wiedergeborenen Lama erwarten würde „er mag es zu chillen, Croissants zu essen und Kaffee zu trinken“, lacht Curse.
Ich frage Curse, ob er in seiner Meditation und seinem Lernen bestimmte Techniken anwendet. Er lehnt sich zurück, legt seinen rechten Ellenbogen über sein linkes Knie und lächelt, als wolle er mir ein wirklich gutes Geheimnis erzählen. „Ich fragte meinen Lehrer, welche Technik ich wählen sollte – was ist meine Praxis, was ist mein Weg. Ich dachte, oh jetzt bin ich auf diesem spirituellen Weg, diesem Meditationsweg, ich muss einige strenge Regeln befolgen, ich muss es richtig machen. Und mein Lehrer gab mir ein paar Vorschläge, Anweisungen und dann sagte er: „Aber – du kannst dich auch einfach entspannen, man.“
Curse lacht fröhlich. „Er sagte mir, ich solle einfach rausgehen, alles erkunden, mir selbst vertrauen und sehen, was kommt. Und ich war so glücklich, dass er mir nicht den Rat gab, zwanzig Jahre lang nichts zu sagen, dazusitzen und auf eine Wand zu starren.“
Curse denkt, dass er ihm auch eine große Verantwortung übertragen hat. „Er sagt, man muss dankbar sein, sich bewusst sein und mit sich selbst im Reinen sein. Er sagte mir, ich solle mich entspannen. Gleichzeitig gab mir auch die härteste Arbeit der Welt: Ständig wachsam zu sein, mich selbst zu reflektieren und stets Verantwortung zu übernehmen.“
Was kommt als nächstes?
Nachdem Curse erkannte, dass er beides nebeneinander machen kann, ein Rapper sein und seine Spiritualität erforschen, hat er diese beiden Welten nahtlos miteinander verbunden. „Ich mache eine ganze Menge Sachen“, sagt er. Er arbeitet an einem neuen Album, tourt, schreibt, textet, veröffentlicht wöchentlich einen Podcast, versucht sich in Filmen und leitet Meditationskurse sowie Workshops. Er listet seine Aktivitäten schnell auf, tritt einen Schritt vorwärts und sagt ernsthaft: „Aber das Wesentliche ist: Ich versuche, auf die freudigste und gesündeste Weise, die ich kann, durch mein Leben zu navigieren. Ich liebe es, das, was ich erlebe und lerne, mit anderen Menschen zu teilen. Und das kann durch Musik, durch Meditation oder einen Podcast geschehen. Was auch immer es ist, es ist immer etwas, wovon ich begeistert bin, was ich gelernt habe oder was mir geholfen hat, die Perspektive zu wechseln. Ich veröffentliche meine Sachen und hoffe, dass die Leute es ausprobieren, sehen, ob es für sie funktioniert und ob es ihnen gefällt. Ich hoffe auch auf Feedback, um selbst von meiner Community zu lernen. Und das ist so ziemlich die Grundlage für alles, was ich tue.“
Dann ist unsere gemeinsame Zeit abgelaufen, und als er mir die Hand schüttelt, merke ich, dass ich immer noch meine Liste mit den Fragen festhalte. Ich war so sehr in unser Gespräch vertieft gewesen, dass ich sie nicht einmal angesehen hatte.
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