Capoeira: Eine schöne Art zu Kämpfen

Es ist sonniger Freitagmorgen in der Kulturbrauerei im Berliner Prenzlauer Berg und die Academia Jangada wird sonnendurchflutet. Ich stehe kurz vor meinem ersten Capoeira-Kurs. Zwei Stunden liegen vor mir: Das wird eine Challenge!

Aber hier erstmal ein paar Hintergründe: Capoeira ist eine brasilianische Tanz- und Kampfkunst mit einer politischen Geschichte. Susy Oesterreicher gründete 1997 mt ihrem Partner Rosalvo das Studio Jangada. Susy erklärt, wie sich Capoeira im 16. Jahrhundert während der Zeit der Sklaverei in Südamerika entwickelte. „Sklaven wurde erlaubt Musik zu hören und zu tanzen, aber sie durften nicht lernen, wie man kämpft – weil sie sich befreien könnten. Also wurde Capoeira erfunden, um den Anschein zu schaffen, sie würden tanzen und nicht kämpfen.“

Capoeira wird in Gruppen oder in Paaren „gespielt“. „Der Zweck von Capoeira ist nicht, gegeneinander zu kämpfen, sondern den Gegenüber abzulenken“, erklärt Susy. „Capoeira wurde entwickelt, um sich zu verteidigen, nicht um zu kämpfen. Aber manchmal muss man kämpfen, um sich zu verteidigen.“

Den Gegner durch kreative Bewegung abzulenken, ist wirklich toll anzusehen. „Du versuchst wirklich deinen Feind abzulenken“, sagt Susy. „Dabei ist das nicht brutal, oder aggressiv.“ Obwohl Capoeira in einer schrecklichen Zeit entstanden ist, ist diese Kunst heute ein Symbol für Freiheit und wird als Kriegstanz angesehen.

Die Art des Tanzes, die am meisten bekannt ist, ist Capoeira Regional. Susy und Rosalvo widmen sich jedoch der Erhaltung der alten brasilianischen Form des Capoeira Angola. „Als wir unsere Schule eröffneten, gab es nur sehr wenige Meister, die bewusst den Tanze erhalten wollten. Es gab eine Zeit, in der die Leute dachten, die Art und Weise, wie Rosalvo Capoeira Angola spielte, sei verrückt. Aber jetzt kennt jeder diesen Stil. Alle.“

Academia Jangada ist Europas erste Capoeira Angola Academy und hat maßgeblich dazu beigetragen Capoeira in Europa und Rosalvos Heimat Brasilien zu beeinflussen. „Er hat mit jungen Jahren bereits mit Capoeira angefangen“, erklärt Susy. „Wie fast alle Brasilianer wuchs er sehr arm auf und Capoeria war sein Ding. Er war so fixiert darauf, dass er nach Europa gehen und Capoeria unterrichten wollte.“

Diese brasilianischen Wurzeln strahlt das Studio von allen Seiten aus. Der Raum ist orange gestrichen und mit Zebra- und Tigerstreifen an den Wänden bemalt. Unterschiedlich große afrikanische Trommeln füllen alle vier Ecken des Raumes und brasilianische Fahnen sind an den Wänden drapiert. Große Pflanzen geben dem Studio einen Dschungel-Look. Ich weiß, dass ich für meinen Capoeira-Kurs am richtigen Ort bin.

Rosalvo zieht zunächst zwei Bänke in die Mitte des Raumes und sagt einfach „Ah-uu“ (geschrieben Aú). Jeder macht ein Rad über die Bank. „Das kann ich auf keinen Fall nachmachen.“ Sage ich zu Rosalvo. „Okay, fangen wir von vorne an“, sagt er. Ich entschudige mich bei den deutlich fortgeschrittenen Teilnehmern dafür, dass ich sie aufhalte. „Keine Sorge“, sagen sie. „Wir mussten alle irgendwo anfangen.“

Rosalvo sagt mir, ich solle das was er macht, einfach nachmachen. Mit immenser Kraft und Geschicklichkeit macht er ein Rad in der Luft. Ich mache es nach, etwas so elegant wie ein Elefant mit Holzschuhen. Rosalvo scheint mit dem Ergebnis vollkommen zufrieden zu sein. „Gut“, sagt er. Rosalvo ist ein Mann der wenigen Worte. ER ist in der Lage den Kurs mit Ein-Wort-Anweisungen zu leiten, die jeweils verschiedene Capoeria-Bewegungen bedeuten. Aú bedeutet zum Beispiel ein Rad schlagen. Ginga (ausgesprochen Jinga) in der Grundschritt von Capoeira und bedeutet „schwingen“. Jede Sequenz beginnt mit Ginga, erklärt Rosalvo.

Um der urspünglichen Praxis treu zu bleiben, lernen wir in Paaren, die sich gegenseitig spiegeln. „Ginga“, sagt Rosalvo. Mein Partner und ich, einander zugewandt, gehen zwei Schritte vor und zurück durch den Raum, mit gesenkten Köpfen. Dieser rhythmische Schritt verleiht Capoeira die charakteristisch schöne Ästhetik. „Aú“, sagt Rosalvo und mein Partner und ich machen ein Rad und machen danach sofort wieder den Grundschritt.

Das macht so viel Spaß – ich kann nicht anders als über beide Ohren zu grinsen. Capoeira ist ein Spiel, ein Tanz und eine Kampfkunst ein einem – es wird nicht „gemacht“, sondern gespielt. Tatsächlich ist es üblich, mit einem Lächeln zu spielen, um den Gegner davon abzulenken, zu denken, dass eine Gefahr droht.

Rosalvo sitzt auf einer Bank und trommelt einen Rhythmus auf einer der Trommeln. „Negativa“, sagt er und ich folge meinem Partner in tiefe Ausfallschritte. Gemeinsam müssen wir uns drehen und wenden – er soll treten und ich soll verteidigen.

„Capoeira ist in vielerlei Hinsicht gut für dich“, erklär Susy. „Du trainierst deinen ganzen Körper. Du lernst, wie man Handstände und Räder macht und baust wirklich Muskeln auf. Dazu ist es ein Tanz und du trainierst dein Gehirn.“ Susy liebt die mentalen Vorteile von Capoeria. „Es vertreibt all deine Gedanken aus deinem Kopf und reinigt den Geist… Der Trommelrhythmus ist ähnlich wie Trance.“

Eine Stunde Unterricht und ich bin völlig verschwitzt. Capoeira ist körperlich extrem herausfordernd. Besonders wenn Rosalvo Befehle gibt, die wir in einer niedrigen Hocke schwebend unser Gewicht von einem Bein auf das andere verlagern müssen. Irgendwann kann ich nicht mehr und lasse mich auf den Boden fallen. Alle sind so freundlich und ermutigend! Ich habe beinahe das Gefühl, dass ich einen guten Job mache, bis alle ihre Köpfe auf dem Boden platzieren und sich dann darauf drehen. Und dann gibt es noch den Befehl „Armada“ – aka Reserve Roundhouse Kick. Der änderte nochmal alles.

Ich habe schon immer Schwierigkeiten Links und Rechts auseinanderzuhalten. Wenn normalerweise jemand „linksherum drehen“ sagt, schätze ich einfach. Mit dem Wissen im Hinterkopf, dass es eine 50 %ige Chance gibt, dass ich richtig liege. Leider ist Rosalvo mit dieser Technik nicht zufrieden.

„Armada“ Mein Partner dreht sich um mich. Ich tue genau das Gleiche, denke ich, aber Rosalvo hört auf zu trommeln und sat: „Nein nein nein nein. Armada.“ Ich mache nocheinmal meinen Roundhouse-Kick. „Nein nein nein.“ Ich versuche es weiter, aber ich kann einfach nicht herausfinden, in welche Richtung ich mich drehen muss.

Zehn Minuten später: Jeder Teilnehmer hat sich mittlerweile um mich gestellt und gibt verschiedene Anweisungen. Alle versuchen mich dazu zu bringen, dass ich mich einfach im Kreis drehe. Aber ich schaffe es einfach nicht richtig. „Bleib mit dem vorderen Fuß am Boden“, sagen sie. „Dreh dich von der Wand weg!“

Es bringt alles nichts. Je mehr Anweisungen sie mir geben, desto verwirrter bin ich. Dann, nach etwa 50 Versuchen, atme ich tief durch, blockiere alle Hintergrundgeräusche und konzentriere mich. „Armada“, sagt Rosalvo. Ich schließe die Augen, drehe mich um und mache den Kick. Die ganze Klasse freut sich riesig und klopft mir auf den Rücken. „Gut gemacht Alice!“ Ich kann nicht glauben, wie viel Lob ich dafür bekomme, mich einfach im Kreis gedreht zu haben. „Es ist beim ersten Mal wirklich schwierig“, sagen sie. Rosalvo nschweigt und geht zurück zur Trommel. Später frage ich Susy, ob es normal ist, dass die Leute so hilfsbereit und nett sind. „Ja“, sagt sie mit einem stolzen Lächeln. „Das ist Capoeira.“

Wenn du in Berlin bist, dass besche die Academia Jangada und folge ihr auf Facebook für alle aktuellen Updates.

Der Urban Sports Club hat unzählige Capoeira-Partner in ganz Europa. Wirf einen Blick auf unserer Webseite, um herauszufinden, welcher in deiner Nähe ist.

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